Dienstag, Oktober 24, 2006

Stella-Award und Urban Legends

Erfindung und Fakten. - Am Sonntag erhielt ich eine eMail von einer Funsite zum Thema "Stella-Liebeck-Preis". Wer nicht weiß, wer Stella Liebeck ist: Das ist die Oma ältere Dame, die sich damals mit Kaffee von McDonalds verbrüht hat.

Ich hatte mir also diese "Fälle" angeschaut und mich (wieder einmal) über das amerikanische Rechtssystem aufgeregt. - Inzwischen habe ich es aber überprüft und festgestellt, daß diese Fälle alle zu den "Urban Legends" gehören und frei erfunden sind. Schon allein die Einleitung, wo behauptet wird, Stella Liebeck hätte von McDonalds $ 4,7 Millionen erhalten, stimmt nicht. Die Jury wollte ihr 2,5 Mio. zusprechen, aber der Richter hat es auf $ 640.000 reduziert (was immer noch zu viel ist für ihre eigene Dummheit).

Doch der "Stella-Award" wird tatsächlich jedes Jahr an Personen verliehen, die mit ganz besonderer Dreistigkeit jemand anderen verklagen (unabhängig davon, ob sie vor Gericht gewinnen oder nicht). Die Fälle sind nicht ganz so spektakulär wie die frei-erfundenen, aber doch bemerkenswert:

# 7: Bob Dougherty: Ein Scherzbold schmierte Kleber auf den Toilettensitz eines Baumarktes in Louisville/Colorado. Dougherty blieb daran kleben, als er sich auf die Toilette setzte. "Es ist nicht Schuld des Ladens," stellte er richtigerweise fest, dennoch bot der Ladenbesitzer ihm $2.000 Schadensersatz an. Dougherty empfand das Angebot "als beleidigend" und verklagte ihn daraufhin auf $3 Millionen. (Ob er die bekam, weiß ich nicht.)

# 6: Barbara Connors aus Medfield/Massachusetts. Connors war Beifahrerin bei ihrem 70-Jahre (!) alten Schwiegersohn. Der versenkte das Auto im Connecticut Fluß. Innerhalb einiger Minuten waren Rettungstaucher zur Stelle und retteten ihr Leben, aber Connors erlitt Gehirnschäden durch das beinahe-Ertrinken. Sie verklagte daraufhin - nein, nicht den Fahrzeugführer, sondern die Rettungsschwimmer, die ihre Leben riskiert hatten, um ihres zu retten.

# 5: Michelle Knepper aus Vancouver/Washington. Knepper wählte einen Arzt aus dem Telefonbuch heraus, um sich Fett absaugen zu lassen. Der Arzt war allerdings nur ein Dermatologe, kein Schönheits-Chirurg. Es kam zu Komplikationen, und Knepper klagte. - Aber sie verklagte nicht den Arzt (was noch verständlich gewesen wäre, denn warum macht der solch eine OP, wenn er nur Hautarzt ist?)... sie verklagte die Telefongesellschaft, die den Arzt im Telefonbuch unter "Schönheits-Chirurgen" führte. Sie bekam vom Gericht tatsächlich $1,2 Mio plus $375.000 für ihren Ehemann zugesprochen.

# 4: Rhonda Nichols aus Fairview Hights/Illinois. Vor (!) einem Heimwerkerladen wurde sie von einem wilden Vogel angegriffen und verletzt. Sie verklagte den Heimwerkerladen, weil der es wilden Vögeln gestattet, sich frei in der Luft zu bewegen. Sie wollte mindestens $100.000 Schadensersatz, aber der Fall wurde vom Gericht abgelehnt.

# 3: Barnard Lorence aus Stuart/Florida. Lorence hatte sein Bankkonto überzogen. Als die Bank ihm Bearbeitungsgebühren und Zinsen vrrechnete, verklagte er sie wegen des "Streß' und Schmerz" und den Schlafstörungen, die ihm diese Gebühren verursachten. Er wollte $2 Mio Schadensersatz. (Okay, wenn der Recht bekommen hätte, würde ich ihn beneiden. Ob ich das mal mit der Kreissparkasse und/oder meinen Auftraggebern versuche, die mir auch regelmäßig Schlafstörungen und Streß verursachen?)

# 2: Wanita "Renea" Young aus Durango/Colorado. Zwei Teenager in der Nachbarschaft hatten Plätzchen für ihre Nachbarn als anonyme, freundliche Geste gebacken und auf den Veranden verteilt. Wanita Young erschreckte sich, als sie die Mädchen auf ihrer Veranda hörte. Obwohl sich die Mädchen bei ihr entschuldigten, verklagte sie die Mädchen auf $3.000. Sie gewann vor Gericht tatsächlich $900, und rühmte sich ihres Erfolgs in den lokalen Zeitungen und TV-Sendern. Jetzt ist sie entsetzt, weil jeder in der Stadt sie für ihre Bosheit haßt. - Na, vielleicht sollte sie die Bewohner wegen seelischer Grausamkeit verklagen?

#1 Christopher Roller aus Burnsville/Minnesota. Roller wird von professionellen Magiern verwirrt. Also verklagte er die Star-Magier David Blaine und David Copperfield, daß sie ihre Berufsgeheimnisse aufdecken -- oder ihm ansonsten 10 Prozent ihrer lebenslangen Einnahmen zahlen müßten. Die Grundlage für seine Klage: Roller behauptet, daß die Magier den Gesetzen der Physik trotzen. Folglich müßten sie "göttliche Kraft" einsetzen. Da Roller sich aber selbst für Gott hält, würden die Magier diese Energie irgendwie von ihm stehlen. (Bei uns landen solche Typen in gewissen Anstalten; in den USA als Kläger vor Gericht...)

P.S.: Ich habe irgendwann mal gehört, daß es in den USA genauso viele Anwälte gäbe wie in der restlichen Welt zusammen. Ich weiß nicht, ob's stimmt, aber ich kann's mir gut vorstellen!


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lacht... Ich sag nur: Design Lebkuchenhäuschen, das würde mit Sicherheit klappen ;-)

Anonym hat gesagt…

kaum zu glauben! Vielleicht sollte man mal hurtig in die USA reisen, einen Schadensersatz fingieren und sein Konto aufbessern;-)

Randy_Jim hat gesagt…

@fubby: Aber nicht nach 'nem Lottogewinn, sonst würden wir sicher verklagt!

@barbara: Ja, auch mein Gedanke. Ich habe mir schon viele Sachen überlegt. Beispielsweise: Ich fliege nach Hollywood, sehe auf der Straße Brad Pitt, drehe mich nach ihm um, laufe gegen eine Laterne und verklage ihn dann auf Schadensersatz, denn was fällt dem ein, einfach so auf der Straße entlang zu laufen??? Wenn das nicht klappt, kann ich immerhin noch die Stadt verklagen, denn warum stellen die ausgerechnet dort eine ungesicherte Straßenlampe auf???